Grenzwertig
Welche Anwendungen auf Netbooks laufen
Netbook sind überall einsatzbereit, doch ob die abgespeckte Hardware die Lieblingsanwendungen auf Touren bringt, müssen sie mit großen Office-Dateien, Videos, Bildern und Spielen erst noch zeigen. Dabei gibts es auch unter den Netbooks große Unterschiede.
So verschieden die Netbook-Plattformen mit den Prozessoren Intel Atom, Celeron und VIA C7-M nebst Chipsatzgrafik auch sind, ist ihnen doch eins gemeinsam: Sie rechnen deutlich langsamer als aktuelle Notebook-Hardware. Unbrauchbar sind die Netbooks damit noch lange nicht, sie erreichen ihre Grenzen nur früher als normale Notebooks. Dazu kommen Einschränkungen wie ein kleiner Massenspeicher bei den Modellen mit Flash-Speicher (maximal 16 GByte) und ein kleiner Bildschirm, der bei den 7-Zoll-Modellen besonders unangenehm auffällt.
Wie sich die Magerkost in der Praxis auswirkt, haben wir mit einer bunten Palette von Anwendungen aus den Bereichen Office, Multimedia und Spielen getestet. Falls eine CD vonnöten war, installierten wir über ein USB-Laufwerk. Die Freigabe des optischen Laufwerks eines anderen Rechners per LAN funktioniert nur dann problemlos, wenn die Scheibe keinen Kopierschutz hat und man nicht davon booten möchte.
Der One A110 mit 7-Zoll-Display dient als schwachbrüstiger Vertreter der Via-C7-M-Plattform, ihm steht die Grafikeinheit VIA Chrome 9 im Chipsatz VX800U zur Seite und 512 MByte RAM. Aus der Celeron-Riege tritt der Asus Eee PC 900 an, mit Celeron M 353 (0,9 GHz), Grafik GMA950 und 8,9-Zoll-Display. Die Intel-Atom-Plattform repräsentiert der Medion Akoya Mini. Der läuft mit Atom N270 (1,6 GHz), Chipsatzgrafik GMA950 und hat ein 10,2-Zoll-Display. Zum Vergleich haben wir den Netbooks ein etwa zwei Jahre altes 15,4-Zoll-Notebook mit dem vergleichsweise langsamen Doppelkernprozessor Pentium Dual-Core T2060 (1,6 GHz) und Chipsatzgrafik gegenübergestellt.
Alle drei Plattformen sind mit Linux und Windows erhältlich. Da sich auf den speziellen Linux-Versionen nur mit guten Kenntnissen des Betriebssystems Anwendungen installieren lassen, haben wir die Software ausschließlich unter Windows XP getestet. Sofern die Linux-Netbooks die entsprechenden Anwendungen wie Office-Paket, PDF-Reader und Browser vorinstalliert haben, lassen sich die Ergebnisse auf dieses Betriebssystem übertragen.
Wenn sich eine Anwendung beim Installieren beschwert, weil Windows auf einem Netbook keinen virtuellen Speicher hat: Speicher anlegen, Anwendung installieren, virtuellen Speicher wieder löschen hilft.
Office
Wegen der niedrigen Rechenleistung der Netbooks fallen Geschwindigkeitsunterschiede zwischen Anwendungsprogrammen stärker ins Gewicht, als man es von einem schnellen System gewohnt ist. Zum Öffnen eines 6 MByte großen Word-Dokuments mit Bildern brauchte das auf dem Eee PC 900 vorinstallierte Works geschlagene zwei Minuten, während es in StarOffice oder Open Office nach rund zehn Sekunden auf dem Bildschirm erschien.
Die VIA-Hardware braucht mit Open Office 16 Sekunden für das Dokument, Intel Atom 12 Sekunden. Präsentationen öffnen mit Open Office in 10 bis 30 Sekunden und ohne Wartezeit erfolgt das Wechseln von Bild zu Bild im Vortrag. Erstellen sollte man Präsentationen allerdings auf einem flotteren Rechner; besonders die VIA-Hardware fühlt sich dabei sehr zäh an.
Als Alternative zu Büro-Anwendungen bieten sich übrigens auch Online-Dienste an. Damit umgeht man zu langsame Hardware. Einige kostenlose wie Google Docs kommen mit Excel-Formeln allerdings nicht klar, sondern eignen sich nur für simple Tabellenkalkulationen. Für große Dateien sind Online-Dienste nicht praktikabel, weil der Upload lange dauert.
Als PDF-Betrachter genügt der Adobe Reader, der auch grafisch Anspruchsvolles zügig auf Netbooks aufbaut. Das kostenlose und praktische PDF XChange braucht zu viel Ressourcen, der Bildaufbau stockt zuweilen.
Dreht man das Netbook um 90 Grad, so kann man eine DIN-A4-Seite mit 12-Punkt-Schrift auf den Geräten mit 8,9- und 10,2-Zoll-Display gerade noch formatfüllend lesen; die Schrift sieht wegen der geringen Auflösung aber leicht unscharf aus. Auf den 7-Zoll-Displays ist formatfüllend bei DIN A5 Schluss, DIN-A4-Seiten erfordern häufiges Scrollen. Wer viel liest, will also eher das 10,2-Zoll-Modell.
Multimedia
Ein einfaches Handy-Video spielen normale Laptops nebenbei ab, Netbooks kommen dabei schon ins Schwitzen: Das Celeron-System mit Windows Media Player ließ das genügsame Video ruckeln. Auch hier ist das wieder eine Frage der Anwendung, denn der VLC Media Player lastete das System nur zu 15 Prozent aus und spielte klaglos. Unsere VIA-Hardware ist sogar unabhängig von der Software für Videos zu langsam: Sie spielte DVDs (vom externen Player) und auch unser Handy-Video mit allen getesteten Player-Anwendungen nur stockend ab, auch H.264-Videos in YouTube ruckeln ab und an. H.264-Videos erledigen die anderen beiden Plattformen auch als YouTube-Filmchen zuverlässig. HDTV-Inhalte (720p) stellt nur Intel Atom zufriedenstellend dar (40 Prozent Auslastung).
Webseiten mit viel Flash-Inhalte können Netbooks mit Celeron und Atom flüssig darstellen. Die VIA-Hardware auch, sie lässt sich aber wegen Vollauslastung des Systems etwas mehr Zeit vorm Abspielen – verschmerzbar.
Mit Lightroom Raw-Bilder zu konvertieren kann man auf einem Display mit 800 x 480 Pixeln vergessen. Für die Konvertierung von Raw-Fotos mit Lightroom brauchen die Celeron- und Atom-Netbooks mit 16 Sekunden bei einem 7,6-MByte-Bild doppelt so lange wie unser Dual-Core-Testsystem, die VIA-Hardware dreimal so lange. Einfache Bildbearbeitung und -verbesserung gelingen gerade auf kleinen Displays mit FastStone 3.2 deshalb gut, weil alle Menüs nur bei Bedarf erscheinen und so viel Platz fürs Bild bleibt – praktisch für den Bildercheck unterwegs. Einfache Filter brauchen Sekunden, ausgewachsene Photoshop-Filter sollte man jedoch stärkeren Plattformen anbieten. Bei Lightroom zeigt sich ein weiteres Mal, wie problematisch die zu geringe Auflösung eines 7-Zoll-Displays ist: Notwendige Buttons stellt die Anwendung beim Exportieren einfach nicht dar.
Spiele
Die aktuellen Ego-Shooter mit Direct3D-10 laufen nur mit teurer Spitzentechnik. Ältere Spiele sind je nach Action-Gehalt mittelmäßig bis gar nicht spielbar. Etliche Leistungsklassen darunter gibt es aber immer noch Spielespaß mit detailreicher Grafik, für die auch Netbooks reichen. Praktikabel sind allerdings nur Spiele, die nicht nach der Original-CD verlangen, also keinen oder einen einfach zu umgehenden Kopierschutz haben.
Einige Beispiele: Langjährige Klassiker wie Quake III bringt sogar die VIA-Hardware mit 25 fps auf spielbare Frameraten. Online-Ballern mit Counterstrike 1.6 gelingt mit Intel Atom ruckelfrei. Das Gravitationsspiel Phun stellen normale Notebooks realistisch dar. Celeron- und Atom-Netbooks lastet es mit etwa 50 Prozent aus, das VIA-System kann die umkippenden Gegenstände in Phun nur leicht ruckelnd anzeigen. Die Spaßgrenze der Netbooks ist beim beliebten, kostenlosen Autorenner Trackmania bereits erreicht, statt flotte Flitzer sieht man stotternde Rennwagen mit maximal 13 fps.
World of Warcraft (WoW) läuft auf Atom-Netbooks mit etwa 12 fps, auf dem Packard Bell EasyNote XS mit VIA-Hardware mit etwa 8 fps, jeweils mit minimalen Details und in ruhigen Gegenden. Damit kann man problemlos am Gildenchat teilnehmen, seine Auktionen vorantreiben oder sogar ein bisschen leveln, wenn man sich auf einzelne Gegner beschränkt. An aufwendigere Kämpfe, PvP, akzeptable Arena-Wertungen oder High-Level-Instanzen ist allerdings nicht zu denken. Der One A110 schlich mit nur 2 fps herum, womit schon das Aufsuchen des Auktionshauses nervig wird.
Auf den Netbooks mit 7-Zoll-Mini-Display und 800 × 480 Punkten (Packard Bell, One A110) schaltete WoW von sich aus auf 800 × 600 Punkte, die native Auflösung ließ sich nicht anwählen. Erst die Skalierung auf 1024 × 768 Punkte lieferte aber eine halbwegs brauchbare Darstellung. Schaltet man beim Asus Eee PC 900 Auflösungen mit mehr als 1024 × 600 Punkten an, skaliert das Bild nicht, sondern scrollt bei Mausbewegungen – beim Spielen eher unpraktisch. Beim MSI Wind bot WoW direkt nur die native Auflösung (oder wie immer 800 × 600 Punkte) an.
Die Lüfter laufen bei allen Netbooks nach kurzer Spielzeit ständig. Störend kann das bei Online-Spielen mit Sprach-Chat oder Teamspeak sein. So überträgt das Packard Bell das Lüfterrauschen deutlicher als die Stimme des Spielers. Leiser geht es beispielsweise beim MSI Wind zu.
Fazit
Die Rechenleistung der Netbooks ist im Vergleich zu herkömmlicher Centrino- und Puma-Hardware derart niedrig, dass es von der Anwender-Software abhängt, ob ein Video ruckelfrei läuft, sich die Präsentation zäh gestaltet oder das Office-Dokument langsam öffnet: Einfache Textverarbeitung statt opulentes Office-Paket, Adobe Reader gegen PDF XChange, VLC gegen Windows Media Player heißt die Devise.
Wählt man die Software unter diesem Aspekt aus, dann sind die Kleinen erstaunlich vielseitig. Der Arbeitsspeicher von einem Gigabyte RAM reicht aus, wenn man gerade nicht benötigte Anwendungen schließt. Netbooks wie der Eee PC 900 können Daten nur mit wenigen MByte/s auf ihre SSD ablegen. Bei vielen Schreibvorgängen beschränkt auch das die Nutzbarkeit der Kleinrechner, bei vielen Anwendungen stört das in der Praxis oft nicht.
Von den drei Plattformen schränkt die VIA-Hardware den Nutzer am meisten ein. Schon das Konvertieren der Raw-Bilder eines Urlaubstages wird zur Geduldsprobe und das Abspielen von Videos überfordert ihn je nach Codec. Besser machens die Celeron- und Intel-Atom-Plattform, die sogar mit Spielefähigkeiten bis zur Quake- und Counterstrike-Liga aufwarten. Manche Anwendungen sind aber wegen des 7-Zoll-Displays schlicht nicht zu benutzen. Man sollte daher zu einem Netbook mit mindestens 8,9-Zoll-Display greifen – die Auswahl ist groß genug.
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